• Reportage, ZDF

    Als "Abschaum" werden die Bewohner der Hamburger Chaussee 63 von vielen beschimpft. Hier ziehen die meisten ein, weil die Alternative Obdachlosigkeit wäre. Doch wer sind diese Menschen, die in insgesamt 266 Einzimmerwohnungen à 22 Quadratmeter leben?
    Für das prämierte ZDF-Reportageformat „37 Grad“ haben wir ein halbes Jahr lang den Hausmeister Joop Snel und mehrere Bewohner des sogenannten "Bullenklosters", einem Wohnsilo in Kiel, begleitet.

    Sascha Schmidt lebte bis vor einem Dreivierteljahr in einer Zweizimmerwohnung in Hamburg. Er hatte ein finanziell sorgenfreies Leben, genug Geld, um sich jeden Wunsch zu erfüllen. Egal, ob Urlaub, Kleidung oder Essen gehen - alles war möglich. Doch dann erlitt er ein Burnout. Er beschloss, in seine Heimat Kiel zurückzukehren und landete in dem Wohnsilo. Wie die meisten Bewohner kam auch er mit nichts außer einer Reisetasche an. Er war am Tiefpunkt seines bisherigen Lebens angekommen.

    Vor viereinhalb Jahren floh Marlies Schneider vor ihrem gewalttätigen Ehemann ins "Bullenkloster". Mit ihrem Ex-Mann hat sie zwei inzwischen erwachsene Söhne. Bevor Marlies in das Haus mit dem schlechten Ruf zog, lebte sie mit ihrer Familie in einem Haus in einem Kieler Vorort. Dort führte sie allerdings ein komplett von ihrem Ex-Mann dominiertes und kontrolliertes Leben. Beide Söhne haben den Kontakt zu ihr abgebrochen, auch, weil sie sich für den neuen Wohnort ihrer Mutter schämen.

    Wolfgang Rutenberger hat 32 Jahre als Lagerist in einer großen Firma gearbeitet. Doch seine Rente reicht nur für ein Ein-Zimmer-Appartement in dem in Kiel bekannten Haus. Für ihn ist es eine große Ungerechtigkeit, "dass jemand, der sein ganzes Leben gearbeitet hat, mit seiner Rente nur knapp über dem Hartz-IV-Satz liegt". Der Vater von zwei Töchtern verlor bei einem tragischen Autounfall seine Frau. Bis zu seiner Rente lebte er in einer schönen Zweizimmer-Wohnung. Doch die konnte er sich nicht mehr leisten.

    Der Hausmeister Joop Snel versucht seit gut zehn Jahren, Ordnung in das Haus zu bringen und greift ein, wenn seiner Meinung nach die Behörden versagen. Der Holländer ist der wichtigste Dreh- und Angelpunkt im Haus. Die Tür zu seinem Büro steht den ganzen Tag offen, und er kennt jeden Bewohner persönlich. Er ist nicht nur der Hausmeister, sondern auch "Psychologe, Sozialarbeiter und einfach Mädchen für alles", so Snel.

    Wenn die Adresse zum Stigma wird – 37 Grad zeigt Menschen und Schicksale hinter den Türen des sogenannten "Bullenklosters" in Kiel.